Der Putsch gegen Makarios 1974 und die türkische Invasion

Der Putsch gegen Makarios 1974 und die türkische Invasion

Am 15. Juli 1974 putschten mit Unterstützung der griechischen Militärjunta in Athen, organisiert vom „starken Mann“ des Regimes, dem griechischen Offizier Dimitrios Ioannidis, Offiziere der Zyprischen Nationalgarde gegen die Regierung von Erzbischof Makarios III. und machten Nikos Sampson zum Präsidenten von Zypern. Ziel dieses Putsches war der Anschluss Zyperns (Enosis) an Griechenland unter eindeutiger Verletzung der Zürcher und Londoner Abkommen.

Nachdem Großbritannien ein gemeinsames Vorgehen der Garantiemächte abgelehnt hatte, intervenierte die Türkei am 20. Juli 1974 unter Berufung auf ihr Interventionsrecht als Garantiemacht in der Operation Atilla mit der Landung regulärer türkischer Truppen im Norden der Insel. Obwohl die griechische Militärjunta aufgrund eines drohenden Krieges mit der Türkei am 23. Juli 1974 stürzte und auch Sampson sein Amt niederlegte, entschied sich die Türkei am 14. August 1974 dazu, die Invasion auszuweiten.[5] Durch paramilitärische Zyperngriechen wurden am 14. August die Massaker von Maratha, Santalaris und Aloda (heute: Nordzypern) an Zyperntürken mit 126 Todesopfern verübt.[6] Auch aus der bis dahin gemischt bewohnten Ortschaft Tochni (heute: Republik Zypern zwischen Larnaka und Limassol gelegen) wurden 85 zyperntürkische Einwohner am Abend des 14. August entführt und ermordet.[7]

 
Die Pufferzone der Vereinten Nationen innerhalb der Mission UNFICYP

Durch die türkische Invasion wurden insgesamt 37 % der Gesamtfläche Zyperns besetzt – ein Gebiet, auf dem bis zum Jahre 1974 ca. 70 % des Bruttosozialproduktes Zyperns erwirtschaftet worden waren. Im Ergebnis wurde die noch heute durch die UNFICYP und die unter britischer Hoheit stehende Souveräne Militärbasis Dekelia (Vereinigtes Königreich) kontrollierte Grüne Linie etabliert, welche von der türkischen Seite als Atilla-Linie bezeichnet wird. Sie erstreckt sich von Erenköy/Kokkina in der Bucht von Morfou über das seit 1964 geteilte Nikosia bis nach Famagusta.[8][9][10] Im Dezember 1974 erlangte die Republik Zypern mit ihrer alten Regierung ihre volle Souveränität zurück. Die Türkei jedoch weigerte sich, ihre Besatzungstruppen abzuziehen und das besetzte Territorium zu räumen.

Völkerrechtlich wird spätestens der zweite Teil der Operation Atilla als unrechtmäßig angesehen,[5][11] da er keine Rechtfertigung in Artikel IV des Garantievertrages von 1959 findet (the right to take action with the sole aim of re-establishing the state of affairs created by the present Treaty).[12]

Im Mai 2014 wurde die Türkei durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu verurteilt, Zypern 90 Millionen Euro Schmerzensgeld und Entschädigung für die Folgen der türkischen Militärintervention zu zahlen. Während der türkischen Invasion verschwanden etwa 1500 Zyperngriechen und 162.000[13] Menschen wurden zwangsweise umgesiedelt. Außerdem kam es in Folge zu Enteignungen von Zyperngriechen, die nach der Teilung im Norden der Insel geblieben waren.[14][15][16] In den türkisch besetzten Gebieten wurden mehr als 550 griechisch-orthodoxe Kirchen geplündert, teilweise auch zerstört oder als Moscheen, Militärdepots und Viehställe verwendet.[17]

Verhandlungen und Entwicklungen zwischen 1974 und 1979

Beginn von Verhandlungen

Die türkische Invasion von 1974 veränderte das Engagement der Vereinten Nationen im Konflikt: Mit seiner Resolution 353 forderte der UN-Sicherheitsrat alle Staaten auf, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität Zyperns zu wahren. Ferner forderte er die Beendigung der ausländischen militärischen Intervention sowie den Abzug des ausländischen Militärpersonals.

Nach dem zweiten türkischen Angriff auf Zypern nach den gescheiterten Genfer Verhandlungen wurden in der Resolution 3212 der UN-Generalversammlung vom 1. November 1974 Verhandlungen gefordert, zu denen es im April 1975 erstmals kam.

Erzielte Übereinkünfte zwischen den Konfliktparteien

 
Verlassenes Hotel in Varosha

In den Gesprächen seit der Intervention konnten drei Übereinkünfte zwischen den Verhandlungsparteien erzielt werden. Die erste betraf den Bevölkerungsaustausch auf Zypern im Jahre 1975. Zusammen mit den zuvor erfolgten Vertreibungen und Fluchten kam es dadurch im Ergebnis dazu, dass 48.000 türkische Zyprer den Süden und 162.000 griechische Zyprer den Norden verließen.[18] Den Verbliebenen wurde aber Hilfe angeboten, um ein einigermaßen geregeltes Leben führen und ihre Religion ausüben zu können. Mit dem Abschluss des Bevölkerungsaustausches wurde die nahezu vollständige Segregation in zwei territoriale Einheiten vollendet. Auf den 37 % der Inselfläche, die von der türkischen Armee kontrolliert wurden, wurde im selben Jahr der „Türkische Föderativstaat von Zypern“ ausgerufen, der Teilstaat eines aus zwei Zonen bestehenden zyprischen Bundesstaates sein sollte. Eine solche Lösung wurde jedoch sowohl von der griechisch-zyprischen Seite als auch von der internationalen Staatengemeinschaft abgelehnt.

Am 12. Februar 1977 unterzeichneten Erzbischof Makarios und Rauf Denktaş ein Abkommen über die Grundlagen für die weiteren Verhandlungen. Beide Seiten stimmten darin überein, eine unabhängige, bündnisfreie, bikommunale föderative Republik zu gründen. Die Festlegung des jeweiligen Territoriums sollte nach den Prinzipien des wirtschaftlichen Nutzungspotenzials, der Produktivität und des Landbesitzes erfolgen. Auf andere Fragen wurde nicht eingegangen.

Am 19. März 1979 schlossen Spyros Kyprianou, der Nachfolger des verstorbenen Makarios III., und Denktaş eine 10-Punkte-Vereinbarung ab. In dem Abkommen stimmen beide Seiten darin überein, dass das bereits bestehende Abkommen von 1977 sowie die Beschlüsse der Vereinten Nationen die Grundlage für die weiteren Verhandlungen bilden sollten. Die Menschenrechte und Grundfreiheiten aller Bürger sollten respektiert werden. Die Gespräche sollten alle Verfassungs- und Territorialaspekte umfassen und eine Entmilitarisierung der Insel ermöglichen. Ferner wurde die Wiederbesiedlung der Geisterstadt Varosha explizit als ein Verhandlungsgegenstand genannt. Beide Seiten stimmten darin überein, dass die Unabhängigkeit, Souveränität, territoriale Integrität und Bündnisfreiheit der Republik gegen einen möglichen Anschluss der Insel oder eines Teils der Insel an ein anderes Land sowie gegen jegliche Form von Teilung oder Spaltung sicherzustellen sind.

Die Verhandlungen und Entwicklungen zwischen 1980 und 1997

 
Die geteilte Einkaufsmeile Ledrastraße, 2006

Die Resolution 37/253

Am 13. Mai 1983 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 37/253, welche auf die Initiative des 1983 wiedergewählten griechisch-zyprischen Präsidenten Kyprianou erfolgte. Die Resolution war aus griechisch-zyprischer Sicht ein erneuter Sieg auf internationaler Ebene, während sie auf türkisch-zyprischer Seite als „Hinrichtungsbefehl“ bezeichnet wurde. Sie forderte den unverzüglichen Abzug aller Besatzungstruppen, begrüßte den griechisch-zyprischen Vorschlag einer völligen Entmilitarisierung und befand, dass die De-facto-Situation, welche durch Waffenanwendung geschaffen wurde, auf keinen Fall die Lösung des Zypernproblems beeinflussen dürfe. Die Inseltürken reagierten darauf am 15. November 1983 mit der Unabhängigkeitserklärung der Türkischen Republik Nordzypern. Drei Tage später erklärte der Sicherheitsrat in der Resolution 541 die Unabhängigkeitserklärung für rechtlich ungültig.

Das Gebiet der Türkischen Republik Nordzypern umfasst ca. 3400 km², etwa 37 Prozent der Inselfläche und zählt Schätzungen zufolge ungefähr 290.000 endemische türkisch-zyprische Einwohner und türkische Siedler (Stand 2006). Zusätzlich befindet sich weiterhin eine noch etwa 30.000 Mann starke Truppe der türkischen Armee auf nordzyprischem Gebiet. Die Türkische Republik Nordzypern wird bis heute nur von der Türkei anerkannt. Allerdings wurde sie 1992 vom Zentralasien-Gipfel der Türkischen Republiken (OATCT) als Beobachter aufgenommen. Des Weiteren hat sie bei der Organisation der Islamischen Konferenz den Status eines ständigen Beobachters.[19]

Die New-York-Verhandlungen

Im September 1984 begannen die Verhandlungen in New York. Am Ende der dritten Verhandlungsrunde, am 27. November 1984, unterbreitete der Generalsekretär einen Vorschlag zur Etablierung einer unabhängigen, blockfreien, föderalen, bizonalen Republik, in der beide Volksgemeinschaften gleichen politischen Status innehaben sollten. Der Vorschlag sah ferner vor, dass die türkisch-zyprische Gemeinschaft circa 25 Prozent des seit 1974 kontrollierten Territoriums an die griechisch-zyprische Gemeinschaft abgeben sollte. Ein Teilabzug türkischer Truppen war ebenso vorgesehen wie die Gewährleistung internationaler Garantien. Dieser Vorschlag wurde vom türkisch-zyprischen Verhandlungsführer Denktaş unter der Bedingung akzeptiert, dass die griechisch-zyprische Seite das Paket in seiner Ganzheit akzeptieren würde. Ein umfassender Durchbruch in der Zypernfrage schien möglich.

Als im Januar 1985 die Unterzeichnung in New York stattfinden sollte, zögerte Kyprianu, da zwar ein Teilabzug, aber kein vollständiger Abzug der türkischen Truppen vorgesehen war. Er plädierte für Neuverhandlungen. Kyprianus Zögern fand keine ungeteilte Zustimmung bei den Zyperngriechen, er wurde stark von der Opposition kritisiert. Auch Außenminister Rolandis war damit nicht einverstanden und trat wenige Wochen später zurück. Die Inseltürken werteten die Ablehnung Kyprianous als eine Zurückweisung der Lösungsformel des bizonalen, föderalen Staates.

Ein neu überarbeiteter Vorschlag von UN-Generalsekretär Javier Pérez de Cuéllar im April 1985 wurde jedoch von Denktaş abgelehnt, da die türkisch-zyprische Seite nicht an der Erarbeitung beteiligt war. Mit der Wahl von Georges Vassiliou zum Präsidenten der Republik Zypern 1988 kam erneut Bewegung in die Verhandlungen. Am 30. Januar 1989 wurden die Rahmenbedingungen zur Gründung einer föderativen Republik und Lösung des Zypernproblems von der UN unterbreitet. Einige Gesprächsrunden zwischen Vassiliou und Denktaş fanden ohne Beteiligung der Vereinten Nationen statt und brachten keine konkreten Ergebnisse, da man sich nicht über den Status der Souveränität der beiden Teilstaaten einigen konnte.

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